Eine schnellere, gezieltere und effizientere medizinische Versorgung für Pflegeheimbewohner durch ihren behandelnden Hausarzt – das ist das Ziel eines neuen telemedizinischen Pilotprojekts, das jetzt im Landkreis Traunstein startet. Unter der wissenschaftlichen Leitung der Technischen Universität München (TUM) in Zusammenarbeit mit regionalen Ärzten, Pflegeeinrichtungen und Kliniken soll das Projekt mit modernster Technik die Entscheidungsfindung bei unklaren, nicht akuten medizinischen Veränderungen der Heimbewohner verbessern. Durch den Einsatz telemedizinischer Lösungen sollen unnötige Krankenhauseinweisungen vermieden und die Versorgung Pflegebedürftiger optimiert werden.
Pflegekräfte stehen bei plötzlichen Veränderungen oder Verschlechterungen des Gesundheitszustands ihrer Bewohner häufig vor der Herausforderung, direkt über das weitere Vorgehen entscheiden zu müssen. Ein Arzt ist nicht immer sofort vor Ort verfügbar, sodass in unklaren Situationen oft ein Notruf abgesetzt wird. Doch nicht jede medizinische Veränderung erfordert zwangsläufig eine Klinikeinweisung.
Hier setzt das neue Projekt „Telemedizinische Versorgung für Alten- und Pflegeheime im Landkreis Traunstein“ an: Mithilfe eines speziell entwickelten Telemedizin-Kits können Pflegekräfte wichtige Vitalwerte wie Blutdruck, Sauerstoffsättigung, EKG oder Herzfrequenz direkt messen und rund um die Uhr in Echtzeit an einen telemedizinisch angebundenen Arzt übermitteln und sich mit diesem per Video austauschen. Dieser kann auf Basis der übermittelten Daten eine fundierte Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen – sei es eine Behandlung vor Ort, eine Medikamentenanpassung oder in dringenden Fällen eine Einweisung ins Krankenhaus.
Das Projekt setzt auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Pflegeheimen, Hausärzten und Kliniken. Die entscheidenden Vorteile für alle Beteiligten: Bewohnern bleiben unnötige, belastende Transporte ins Krankenhaus erspart. Pflegeeinrichtungen profitieren durch eine Stärkung der Kompetenz der Pflegefachkräfte, schnellere ärztliche Einschätzungen und weniger Verlegungen. Hausärzte können effizienter arbeiten, indem zeitintensive Fahrten ins Pflegeheim vermieden werden. Der Rettungsdienst wird entlastet, indem nur tatsächlich erforderliche Einsätze durchgeführt werden. Kliniken profitieren durch die Entlastung der Notaufnahmen und die gezieltere Zuweisung von Patienten.
Das Projekt wird von mehreren Akteuren getragen. Die Technische Universität München (TUM) übernimmt die wissenschaftliche Leitung und ist Trägerin des Projekts. Zwei niedergelassene Ärzte aus dem Landkreis (Maximilian Leitner und Sebastian Bähr) übernehmen die telemedizinische Betreuung für ihre Patienten in den Pflegeheimen. Drei Pflegeheime – SenVital Ruhpolding, Kreisaltenheim Palling und Chiemgau Stift Inzell – profitieren direkt von der neuen Technik. Das TUM Universitätsklinikum begleitet die wissenschaftliche Steuerung der Studie. Der Landkreis Traunstein unterstützt die Projektumsetzung vor Ort und stellt die technische Infrastruktur bereit. Das ZTM (Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen) stellt die telemedizinische Ausstattung zur Verfügung und kümmert sich um Support, Wartung und Updates der telemedizinischen Systeme. Die Kliniken Südostbayern AG (KSOB) sind als bedeutender regionaler Gesundheitsversorger in das Projekt eingebunden, um eine effiziente ärztliche Abstimmung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu gewährleisten.
Der Landkreis Traunstein setzt auf moderne Technologie, um die medizinische Versorgung der Pflegeheimbewohner weiter zu verbessern. Das neue Telemedizin-Projekt ermöglicht schnelle ärztliche Einschätzungen und bestmögliche Behandlung vor Ort. Gleichzeitig werden Kliniken, Notaufnahmen und der Rettungsdienst entlastet. Besonders in einem Flächenlandkreis wie Traunstein kann diese Form der digitalen Vernetzung eine zukunftsweisende Lösung sein.
Die am Projekt beteiligten, niedergelassenen Ärzte Sebastian Bähr und Maximilian Leitner freuen sich, daran mitzuwirken. Auch die drei Pflegeheime sind sich über den potenziellen Mehrwert des Telemedizin-Projektes einig. Aus ihrer Sicht bietet das Projekt eine Chance, die Gesundheitsversorgung der Bewohner zu verbessern, das Pflegepersonal zu entlasten und die medizinischen Infrastruktur in der Region zu stärken.
Daniela Bremhorst, Residenzleitung SenVital Senioren- und Pflegezentrum Ruhpolding am Rathausplatz hierzu: „Wir sind überzeugt davon, dass unsere Pflegefachkräfte Dank des Projektes Handlungssicherheit und -kompetenzen bei unklaren Veränderungen des Gesundheitszustands erhalten, da die Wartezeiten auf einen Bereitschaftsarzt entfallen.
Beate Hamm Leiterin des Chiemgau-Stifts Inzell und Marco Gahut Pflegedienstleitung: „Wir sehen in der Teilnahme am Projekt eine große Chance für Bewohner und Mitarbeitende. Mit Hilfe der Telemedizin ist es künftig auch außerhalb der Praxiszeiten der Hausärzte möglich, den Bewohnern eine zeitnahe, eng verzahnte und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung direkt vor Ort zu ermöglichen und unnötige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden.“
Melanie Oeller, Einrichtungsleitung Kreisaltenheim Palling: „Durch den Einsatz digitaler Technologien können wir als Pflegeeinrichtung direkt mit medizinischen Fachkräften vernetzt werden. Dies führt zu einer effizienteren, schnelleren und qualitativ hochwertigen Bewohnerversorgung und entlastet gleichzeitig das Pflegepersonal in ihrem herausfordernden Alltag.“
Studienkoordinatorin Dr. Franziska Hahn, TUM Universitätsklinikum: „Im Telemedizin-Zentrum am TUM Universitätsklinikum begleiten wir Patientinnen und Patienten per Ferndiagnose und erforschen in zahlreichen Projekten, wie neue Technologien am sinnvollsten eingesetzt werden können. Gemeinsam mit unseren Partnern in Traunstein und Umgebung wollen wir in den kommenden 12 Monaten herausfinden, ob unser Modell sinnvoll umsetzbar ist. Die gewonnenen Erkenntnisse werden uns und anderen helfen, die medizinische Versorgung durch telemedizinische Ansätze weiter zu verbessern.“
Dr. Stefan Paech, Medizinischer Leiter Verbund, Kliniken Südostbayern AG: „Dieses innovative Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur besseren Vernetzung und Abstimmung zwischen Pflegeeinrichtungen, Ärzten und Kliniken in der Region zur Abklärung des stationären Behandlungsbedarfs mit dem Ziel der Reduzierung vermeidbarer Krankenhauseinweisungen!“
Anja Partheymüller vom ZTM: „Die Telemedizin eignet sich für diesen Anwendungsfall sehr gut, um eine schnelle Entscheidungsfindung im Sinne des Patienten zu ermöglichen. Wir freuen uns, dass wir das Projekt mit unserem System unterstützen können.“
Die Telemedizin gewinnt im Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung. Besonders in ländlichen Regionen mit begrenzter ärztlicher Verfügbarkeit und langen Anfahrtswegen bieten digitale Lösungen eine echte Alternative zur klassischen Versorgung vor Ort.
(Quelle: Landratsamt Traunstein)